Geschrieben von Stephan Hildebrand

Lesedauer: ca. 8 Minuten

Illustrationen von Erik van Schoor

#8 Die Begegnung

Besonders gut haben Chipo und Zuri nicht geschlafen. Immer wieder kamen Tiere zum Fluss, um zu trinken und zu baden. Die Löwen haben einen Angriff auf ein Büffel Jungtier gestartet, worauf die Büffel ganz wild wurden. Der Angriff scheiterte und dutzende Hyänen haben fürchterlich gelacht. Und jetzt ruft auch noch eine Elefantenmutter nach ihrem Jungen.
Chipo wird munter und gähnt.

„Hua!“

„Oh man. Hier ist was los. Bist du auch schon munter Zuri?“, fragt er.

Zuri gähnt. „Hua!“ und antwortet: „Joa“

„Dann lass uns los. Das ist mir zu viel Trubel hier. Ich will nach Westen gehen. Um Lobamba kümmern wir uns das nächste Mal!“, sagt Chipo.

„Du meinst, du willst mit ihm sprechen, oder?“ fragt Zuri und blickt Chipo tief in die Augen.

„Ja, mach ich.“, sagt Chipo und verdreht die Augen.

Die beiden marschieren den Fluss entlang bis sie zu einer Hügelkette gelangen, die das Revier begrenzt.

„Was liegt hinter diesem Hügel?“, fragt Zuri.

„Du stellt Fragen. Da war ich noch nicht.“, sagt Chipo.

„Bist du denn gar nicht neugierig und willst es herausfinden?“ fragt Zuri.

„Eigentlich nicht, das ist sicher ein schweißtreibender Weg da hoch. Aber du kannst gern mal nachsehen und mir alles erzählen. Ich marschiere weiter in diese Richtung, ok?“

Zuri ist einverstanden und fliegt los. Es sind keine 30 Minuten vergangen, schon ist Chipo langweilig und er denkt ernsthaft darüber nach wieder Steine umzudrehen. Mit seiner Freundin hätte er jetzt bestimmt mehr Spaß. Es kommt ihm so vor, als würde die Zeit viel langsamer vergehen und dass er schon ewig diese Hügelkette entlang geht. Tatsächlich vergehen viele Stunden, bis Zuri zurückkehrt und auf Chipo`s Schulter landet.

„Da bist du ja wieder. Schieß los. Was hast du hinter dem Hügel entdeckt?“ fragt Chipo und ist froh, dass seine Freundin wieder da ist.

„Also hinter dem Hügel ist noch ein Hügel und hinter dem dann noch ein Hügel. Dahinter ist es dann flach und man sieht Lichter am Boden.“, sagt Zuri.

„Lichter?“, fragt Chipo.

„Ja viele Lichter, wie Sterne nur halt am Boden. Manche Lichter bewegen sich langsam. Manche stehen still. Manche sind gelb, andere rot. Es gibt auch blaue, die blinken.“, erklärt Zuri.

„Oh. Was soll das sein? Hab` noch nie davon gehört.“, sagt Chipo und runzelt die Stirn.

Die beiden gehen gemeinsam weiter und haben die wildesten Ideen, was diese Lichter wohl bedeuten könnten. Auf einmal hat Zuri etwas entdeckt. Sie landet auf Chipo`s Kopf und flüstert ihm ins Ohr.

„Bleib` jetzt ganz ruhig, okay!“, sagt Zuri.

„Was soll der Quatsch?, fragt Chipo.

„Da ist ein Rhino auf drei Uhr.“, sagt Zuri und zeigt nach vorne rechts.

„Ein Rhino? Hier? Lobamba?“, murmelt Chipo und schaut sich um.

„Bleib` ruhig und sprich mit ihm. Sei kein Hohlkopf!“, sagt Zuri fordernd.

Chipo macht sich klein und schleicht sich heran. Es ist tatsächlich ein Nashorn in seinem Revier. Es wühlt im Sand, sodass es kräftig staubt und man nur Umrisse erkennen kann. Chipo und Zuri sind jetzt ganz nah dran.

„Erwischt du Halunke! Das ist mein Revier. Mach das du hinter den Fluss kommst!“, sagt Chipo und präsentiert sein langes, spitzes Horn.

Das Nashorn dreht sich herum und hebt den Kopf mit einer Eleganz aus dem Staub, die Chipo sichtlich beeindruckt. Ihre Blicke treffen sich. Chipo bleibt mit offenem Mund stehen. Das andere Nashorn hat zarte Gesichtszüge und abgeschnittene Hörner. Es sieht sehr gepflegt aus und Chipo nimmt einen herrlichen Duft wahr. Als sich der Staub gelegt hat, ist das fremde Nashorn gut zu sehen. Es ist umgeben von Glühwürmchen, die herumschwirren.

„Ich will keinen Ärger. Man hat mich hier ausgesetzt.“, sagt das fremde Nashorn mit weiblicher Stimme.

Chipo steht regungslos da. Sein Mund ist noch geöffnet.

„Mein Name ist Zola. Bist du immer so unfreundlich zu deinen Artgenossen?“, fragt sie und zwinkert ihm zu.

Chipo ist wie versteinert. Zuri fliegt zu Zola und stellt sich vor.

„Hey Zola. Mein Name ist Zuri. Ich bin ein Madenhacker. Dieser Rüpel hier ist Chipo. Wir sind beste Freunde.“

„Schön euch kennenzulernen. Kann dein Freund sprechen?“, fragt Zola und kichert.

Zuri fliegt zurück zu Chipo und zwickt ihn mit dem Schnabel. Endlich ist er wieder bei Sinnen. Seine Augen funkeln, er beugt die Vorderbeine und senkt den Kopf.

„Chipo. Sehr erfreut.“, sagt er und entschuldigt sich für sein Benehmen.

Er fragt Zola, woher sie kommt.

„Ich komme aus dem Reservat. Es liegt bestimmt zwei Nachtmärsche von hier entfernt.“, sagt Zola und blickt zu den Hügeln hinter ihr.

„Ein Reservat? Was ist das?“, fragt Chipo.

„Das ist ein Schutzort für Nashörner und andere Tiere. Dort sind Affen, die auf zwei Beinen gehen und sich selbst Menschen nennen. Sie haben mich aufgenommen und pflegen mich seit meiner Geburt. Es gibt immer reichlich zu Essen und auch Wasser.“, sagt Zola.

„Klingt ja prima. Warum bist du von da weggegangen?“, fragt Chipo.

„Es war wirklich toll. Doch vor zwei Tagen bin ich nach dem Frühstück eingeschlafen und als ich wieder aufwachte, war ich allein und außerhalb des Reservats. Die Hörner haben sie mir abgeschnitten. Warum tun die sowas?“, fragt Zola und ist wirklich traurig.

„Ich finde du sieht hübsch aus, auch ohne Hörner.“, sagt Chipo und sein Gesicht wird rot.

Ihm ist klar, weshalb die Menschen das getan haben. Er erzählt Zola die Geschichte von seiner Oma und dann ist für Zola auch alles klar.
Die drei verstehen sich gut und unterhalten sich, bis die Sonne aufsteigt. Chipo berichtet stolz von seinem großen Revier und seinem Badesee. Zuri hat die Geschichte von Chipo`s Schlangenbiss erzählt. Da musste Zola schmunzeln. Auf die Idee Steine umzudrehen ist sie noch nicht gekommen. Die drei beschließen zusammen zu bleiben und legen sich gemeinsam unter einen Baum. Zola gähnt.

„Hua!“, und schläft als erste ein.

Chipo schaut unauffällig zu ihr rüber und strahlt dabei über beide Backen. Aber auch seine Augen werden immer kleiner und schließen sich. Er und Zuri gähnen gemeinsam und schlafen ein.

„Hua!“

Ende