Geschrieben von Stephan Hildebrand

Lesedauer: ca. 8 Minuten

Illustrationen von Erik van Schoor

#7 Großer Trubel

Im kühlen Mondschein läuft Chipo in Richtung Norden. Zuri sitzt auf seiner Schulter. Sie fliegt hin und wieder empor, um Ausschau zu halten. Es ist friedlich und viel zu sehen gibt es nicht. Seit Stunden laufen sie durch ein nicht enden wollendes Feld aus trockenem Gras und kleinen Büschen. Das Gras steht so hoch, dass es Chipo am Bauch kitzelt. Sie kommen gut voran, vermutlich weil sie beschlossen haben erstmal keine Steine umzudrehen. Chipo hat seiner Freundin von dem Fluss erzählt, der sein Revier im Norden begrenzt. Dort sollen die verschiedensten Tiere der Savanne zusammenkommen, um zu trinken und zu baden. Das findet Zuri spannend. Sie hat bisher nur wenige Tiere getroffen.
Am frühen Morgen haben sie es geschafft. Zuri landet auf Chipo`s Schulter.

„Fluss auf 12 Uhr. Na endlich!“, sagt Zuri und zeigt mit dem Flügel nach vorne.

Chipo sieht den Fluss noch nicht, aber er bemerkt, dass das Gras saftig-grün ist und die Büsche größer werden. Sogar ein paar Bäume sind in der Nähe.


Dann macht Zuri eine Entdeckung.

„Schau` mal Chipo, die Tiere da vorne haben schwarze und weiße Streifen. Das sieht ja schick aus!“, sagt sie.

„Das sind Zebras. Die Streifen sehen nicht nur schick aus, sie sind auch die perfekte Tarnung. Wenn es am Tag so heiß ist, dass die Luft flimmert, sind diese Tiere aus der Ferne nicht zu erkennen.“, erklärt Chipo.

„Wow, echt cool!“, sagt Zuri und schaut nach hinten, weil es raschelt.

Und schon werden sie von Impala-Antilopen überholt. Die zierlichen Hornträger mit rehbraunem Fell und weißem Bauch sind schnell unterwegs und machen große Sprünge.

„Oh, die sind aber flott.“, sagt Zuri.

„Das sind Antilopen. Die haben es immer eilig und bislang habe ich jedes Wettrennen gegen sie verloren.“, sagt Chipo und knirscht mit den Zähnen.

Zuri reagiert nicht. Sie hat ein neues Tier entdeckt. Ihre Augen werden größer, während ihr Blick in die Höhe wandert.

„Wow! Das sind lange Beine und der Hals, der ist ja riesig!“, sagt Zuri und kichert.

„Das sind Giraffen! Ich kenne ein paar von Ihnen gut. Die meisten sind locker drauf und essen den halben Tag. Bei der Größe können sie sich die saftigsten Blätter und Früchte aus der Baumkrone schnappen.“, sagt Chipo und seine Zunge streicht über die Oberlippe.

Endlich haben sie den Fluss erreicht. Sein Wasser ist trüb, aber es schmeckt gut und ist erfrischend. Chipo und Zuri stillen ihren Durst und nehmen ein kurzes Bad. Um sie herum stehen die verschiedensten Tiere. Die meisten trinken oder baden. Andere stehen herum und quatschen. Es ist laut und Chipo nervt dieser Trubel. Er badet lieber in seinem geheimen Badesee. Da hat er seine Ruhe. Als die Sonne aufsteigt, beschließen die Beiden zum Grenzbaum zu gehen und zu schlafen. Aus der Ferne entdeckt Chipo einige Tiere, die im Schatten seines Baumes chillen.

„Das kann ja wohl nicht wahr sein. Weg von meinem Baum!“, ruft er und rast mit den Hörnern voraus auf das Rudel Löwen zu.

Zuri ist vor Schreck in die Luft gestiegen und fliegt hinter Chipo her. Die Löwen springen auf. Ein Halbstarker brüllt und flüchtet dann doch mit den anderen ins hohe Gras. Chipo ist aufdreht und kreist wild um seinen Grenzbaum.

„Die denken sie können sich alles erlauben! Halten sich für die Könige der Savanne! Es ist immer das Gleiche! Hier stehen so viele Bäume und nur meinen belagern sie.“, sagt Chipo und bleibt kurz darauf stehen.

Er setzt seine Duftmarke und verpasst dem Baum von allen Seiten tiefe Furchen. Dabei entdeckt er die Spur eines fremden Nashorns.

„Lobamba! Dieser durchgeknallte Halunke wagt es tatsächlich meinen Grenzbaum zu verschandeln und ein großes „L“ hier rein zu ritzen. Wenn ich den erwische!“, sagt Chipo während Zuri angeflogen kommt.

„Wer ist dieser Lobamba?“, fragt Zuri.

„Lobamba ist ein Spitzmaulnashorn. Ihm gehört das Gebiet hinter dem Fluss. Ich kenne ihn seit ich klein bin und wir haben manchmal Zoff. Er hat kein Respekt!“, sagt Chipo.

„Ohje. Und was willst du jetzt tun?“, fragt Zuri.

„Zuerst werde ich klarstellen, dass das hier mein Revier ist.“, sagt Chipo und macht eine schnelle Kopfbewegung.

Sein Horn schlitzt durch die Baumrinde und verwandelt das „L“ in ein „C“.

„Und was jetzt?“, fragt Zuri.

„Wir warten. Und wenn er sich blicken lässt, verpasse ich ihm eine Abreibung“, sagt Chipo.

Zuri hält das für keine gute Idee. Sie fliegt direkt vor Chipo`s Nase und will die Situation beruhigen.

„Sei doch kein Hohlkopf Chipo. Das ist keine Lösung! Sprich mit ihm und kläre das, sonst hast du immer wieder Zopf.“, sagt Zuri.

„Mhrrr. Kann ich ja mal versuchen.“, sagt Chipo mürrisch.

Zuri findet diesen Zoff kindisch. Sie will nicht länger darüber sprechen und beobachtet stattdessen freudig die Tiere im Fluss. Wenn sie ein Tier entdeckt, dass sie nicht kennt, fragt sie bei Chipo nach. Er erklärt ihr alles, was er über die Flusspferde, Büffel, Krokodile und Leoparden weiß. Zuri hört anfangs noch gespannt zu. Dann gähnt sie.

„Hua!“

Kurz darauf ist sie eingeschlafen. Chipo hat das gar nicht mitbekommen und erklärt noch fleißig. Als Zuri auf seine Frage nicht mehr reagiert, muss er schmunzeln und gähnt ebenfalls.

„Hua!“

Er ist auch müde, schließt seine Augen und schläft wenig später ein.

Ende