Geschrieben von Stephan Hildebrand

Lesedauer: ca. 8 Minuten

Illustrationen von Erik van Schoor

#6 Donnerwetter

Aus Südosten pfeift ein kräftiger Wind durch die Savanne und schiebt eine mächtige, dunkle Wolkendecke direkt zu Chipo und Zuri. Plötzlich schießen helle Blitze im wilden Zickzack zu Boden. Erst sechs Sekunden später kracht es bei Chipo und Zuri. Der Madenhacker springt auf. Ihr kleines Herz schlägt rasant und die Augen sind weit aufgerissen.

„Wach` auf Chipo, wir sind in Gefahr!“, sagt sie ängstlich.

Chipo öffnet die Augen.

„Jippy! Ein Donnerwetter. Das wurde aber auch Zeit!“, sagt er und grinst.

Es blitzt erneut und drei Sekunden später kracht es. Zuri krallt sich an Chipo fest.

„Keine Angst Zuri. Das ist nur ein Donnerwetter. Erst kommt der Wind, dann kommen Blitze und Donner. Kurz darauf regnet es.“, erklärt er und schon prasseln dicke Regentropfen auf sie nieder.

Das Nashorn meint, dass die Blitze weiterziehen und es bald schon ruhig wird. Und dann ist es Zeit für ein Schlammbad. Zuri versteht Chipo`s Begeisterung nicht. Der Wind ist so stark, dass sie sich kaum noch halten kann und ihre Federn sind nass und schwer. Plötzlich blitzt und kracht es zugleich. Nur etwa hundert Meter von den Beiden entfernt.

„Ah!“, schreit Zuri.

„Keine Angst Zuri. Ist gleich vorbei.“, sagt Chipo.

„Ich habe doch keine Angst. Ich habe mich nur erschrocken. Das ist mein erstes Donnerwetter.“, sagt Zuri und klappert mit dem Schnabel.

„Daran gewöhnst du dich schnell. In den nächsten Monaten wird es häufiger ein Donnerwetter geben.“, sagt Chipo.

„Ohje!“, sagt Zuri und senkt den Kopf.

Die beiden beobachten, wie die dunkle Wolkendecke an ihnen vorbeizieht. Als der Wind und der Regen nachgelassen haben, geht Chipo von einer Pfütze zur nächsten und trinkt. Nachdem er seinen Durst gestillt hat, gräbt er ein Schlammloch und suhlt sich genüsslich. Er ist vollkommen mit dem kühlen Matsch bedeckt und sichtlich glücklich.

„Komm` schon Zuri, das kannst du dir doch nicht entgehen lassen.“, sagt er.

„Geht nicht, das verklebt mir doch die Flügel!“, sagt Zuri und trinkt ebenfalls aus einer Pfütze.

Sie beobachtet, wie die Sonne durch die Wolkendecke strahlt. Dann zieht sie ihren Verband ab und breitet die Flügel aus. So können ihre Federn besser trocken. Sie macht sogar einige Flügelschläge. Erst langsam vor und zurück und später immer kräftiger und schneller bis sie plötzlich abhebt und auf einem Ast landet. Von dort beobachtet sie Chipo beim Schlammbaden. In der Ferne blitzt es noch. Zuri ist froh, dass ihr Flügel verheilt ist und sie wieder fliegen kann. Bei diesem Wetter ist Fliegen jedoch gefährlich und so beobachtet sie lieber ihren Freund, der sichtlich Spaß hat.

Es dauerte noch eine Stunde, bis das schlechte Wetter sich verzogen hat. Die Sonne steht schon tief. Zuri beschließt noch einen Flug zu wagen. Sie steigt mit Tempo in die Höhe. Dann geht sie über in den Gleitflug und zieht in engen Kurven kreuz und quer durch die Luft. Im Sturzflug auf Chipo hat sie die Flügel eng angelegt und erst kurz vor der Landung breitet sie die Flügel weit aus. Chipo hat den Anflug beobachtet und ist von Zuri`s Flugmanöver beeindruckt. Er freut sich sehr, dass Zuri wieder fliegen kann.
Eigentlich wollte Chipo heute in den Norden marschieren, doch in seinem Schlammbad fühlt er sich wohl. Die Beiden beschließen, erst morgen weiter zu gehen. Hin und wieder kommt es zu sanften Regenschauern, die Chipo`s Schlammloch immer wieder auffüllen. Zuri sucht in dieser Zeit Schutz in den Bäumen und beobachtet Chipo. Sobald der Regen weg ist, übt sie verschiedene Flugmanöver, die sie in der Flugschule gelernt hat.

Erst als die Sonne aufgeht, suchen sie sich einen Schlafplatz. Sie kuscheln sich aneinander, strecken sich und gähnen.

„Hua!“

Ihre Augen werden schwer und fallen zu, während es leise nieselt.

Ende