Geschrieben von Stephan Hildebrand

Lesedauer: ca. 8 Minuten

Illustrationen von Erik van Schoor

#4 Überraschung

In der Savanne Südafrikas bricht die Nacht herein. Und mit ihr breitet sich die wohltuende Dunkelheit aus, die Boden und Luft abkühlt und Chipo und Zuri sanft weckt. Sie haben gut geschlafen und nun strecken sie sich und gähnen:

„Hua!“

Zuri hüpft zum vorderen Huf des Nashorns. Neugierig betrachtet sie ihn von allen Seiten. Sie schüttelt den Kopf und kann nicht glauben, dass der Huf noch so dick ist, wie gestern nach dem Schlangenbiss. Chipo möchte trotzdem weitergehen und bittet Zuri zu sich auf die Schulter. Das Nashorn richtet sich auf und geht los. Schon auf den ersten Schritten verzieht er das Gesicht, denn der Huf schmerzt. Wenn er ihn behutsam absetzt und häufiger Pausen einlegt, ist es auszuhalten. Jedoch dauert der Marsch so länger. Viel länger, aber das stört die Beiden nicht. Sie unterhalten sich prächtig und haben Spaß. Als sie in der Nähe eines kleinen Waldes sind, senkt Chipo den Kopf und schnuppert. Er ist aufgebracht und ruft:

„Hey! Irgendwer ist in meinem Revier!“

Chipo duldet hier keine fremden Nashörner. Er macht sich groß, streckt die Brust raus und spannt seine Muskeln an. Zuri entdeckt Hufabdrücke und so gehen die Beiden den Spuren nach, die tief in den Wald führen. Chipo`s Schmerzen sind für einen Moment vergessen. Plötzlich hören sie in der Ferne ein grausiges Brummen. Zuri bohrt ihre Krallen in Chipo`s dicke Haut und blickt nervös um sich, während Chipo bereits kichert. Er weiß, dass so nur seine Oma schnarcht. Ihre Umrisse sind schon aus der Ferne zu sehen.

Langsam und mit einem langen Gähnen richtet sich seine Oma auf.

„Hua!“

Chipo grinst und ruft:

„Hallo Oma! Was für eine tolle Überraschung!“

„Komm`her mein Junge. Lass` dich drücken!“, sagt sie und streichelt ihren Enkel über die Rippen.

„Nicht so fest Oma! Du zerquetschst mich gleich!“, sagt Chipo und muss nach der Begrüßung erstmal Luft schnappen.

Er fragt, weshalb seine Oma vorbeigekommen ist und Oma antwortet:

„Ach Chipo, ich habe mir etwas Sorgen gemacht und wollte sehen, wie es dir geht. Du hast ja jetzt dein eigenes Revier und lässt dich nur noch selten blicken.“

„Mir geht`s gut Oma.“, sagt Chipo und kaut auf der Oberlippe.

„Wirklich? Und was ist mit deinem Huf passiert? Zeig mal her!“, sagt Oma.

Chipo wird rot und rückt nicht mit der Sprache raus. Also ergreift Zuri das Wort.

„Das war eine Kapcobra! Sie hat meinen Freund gebissen!“

Oma blinzelt und schaut links und rechts an Chipo vorbei. Sie fragt:

„Wer spricht da?“

Zuri hüpft auf Chipo`s Kopf und stellt sich vor.

„Mein Name ist Zuri. Ich bin ein Madenhacker. Chipo und ich sind beste Freunde.“

„Oh, schön dich kennen zu lernen Zuri. Mein Name ist Amava, aber du kannst mich Oma nennen. Erzähl` mal Chipo, wieso hat dich eine Cobra gebissen?“, fragt Oma.

Chipo senkt den Blick und mehr als ein „Naja. Also. Ähm.“ kommt nicht aus ihm raus. Also meldet sich wieder Zuri.

„Chipo hat das Dach der Cobra in die Höhe katapultiert. Dann hat die Cobra ihn gebissen.“

„Ach Chipo. Komm, lege deinen Huf hoch und lass ihn eine Weile ruhen. Das wird schon wieder!“

„Ja Oma.“, sagt Chipo und legt sich nieder.

Das ganze Tamtam ist Chipo etwas peinlich. Aber seine Oma lässt sich nicht beirren, sammelt ein paar Äste und bildet einen Haufen. Zuri hat auch einen Zweig im Schnabel und legt ihn ab. Jetzt kann Chipo seinen dicken Huf auf den Ast-Haufen legen. Seine Oma zerkaut ein paar Beeren und spuckt sie auf Chipo`s Huf. Sie sagt, dass Spucke hilft und mit den richtigen Beeren hilft es erst recht. Morgen soll alles wieder normal sein. Chipo verdreht die Augen. Er findet den Brei aus Beeren und Spucke zwar angenehm kühl, aber auch ekelig.
Zuri ist begeistert. Oma`s Erfahrung beeindruckt sie. Ihr ist aufgefallen, dass Oma gar keine langen Hörner hat und deshalb fragt sie bei ihr nach. Doch Oma meint, dass das eine lange Geschichte sei und dafür ist sie gerade viel zu müde. Zuri solle sich noch bis zum nächsten Mondschein gedulden. Das fällt Zuri schwer, aber sie ist auch schon müde. Als wenig später in der Savanne die Sonne auf geht, wird es Zeit schlafen zu gehen. Die drei kuscheln sich aneinander. Aus dem Wald tönt noch ein letztes Gähnen.

„Hua!“

Dann ist es still.

Ende