Geschrieben von Stephan Hildebrand

Lesedauer: ca. 8 Minuten

Illustrationen von Erik van Schoor

#3 Chipo und Zuri lernen etwas

Der Halbmond und die Sterne spiegeln sich im Badesee. Chipo öffnet die Augen, ganz langsam und nur mit viel Mühe hält er sie offen. Er streckt seine Vorder- und Hinterbeine und gähnt.

„Hua!“

Jetzt ist Zuri auch wach und gähnt.

„Hua!“

Sie stellt erschrocken fest, dass es stockfinster ist und sie den ganzen Tag geschlafen haben. Das Nashorn nimmt es gelassen und geht zu einem großen Busch, um zu essen. Zuri hat schon beide Backen voll mit Zecken. Echt praktisch, dass Chipo davon so viele auf dem Rücken hat. Am Badesee trinken sie einen Schluck Wasser und Zuri fragt verlegen:

„Sag mal, was machst du heute?“

„Ich laufe zur Grenze im Norden meines Reviers. Es ist schon spät und der Weg ist weit. Also muss ich gleich los. Aber…“, sagt das Nashorn und macht eine Denkpause.

„Wenn du willst, kannst du mitkommen. Willst du?“, fragt er und kaut auf der Lippe.

„Klar komme ich mit!“, antwortet Zuri und richtet sich ihr Gefieder zurecht.

„Wir sind doch jetzt Freunde. Und Freunde gehen gemeinsam durch`s Leben!“, sagt sie und schaut in seine strahlenden Augen.

Freunde hatte Chipo bisher nicht. Er kommt gut allein zurecht, doch Zuri erinnert ihn an seine kleine Schwester, die im Revier der Eltern lebt. Die beiden haben damals viel unternommen und es war nie langweilig. Er freut sich darauf, Zuri sein Revier zu zeigen, zu spielen und zu quatschen. Gerade erzählt seine Freundin, wie sie sich den Flügel verletzt hat. Das Unglück geschah vor ein paar Tagen, als sie hungrig war und ein paar Bäume nach Larven absuchte. An diesem Tag pfiff ein Sturm durch die Savanne und sie musste kräftig mit den Flügeln schlagen. Den ersten Baum erreichte sie noch problemlos. Beim Zweiten erfasste sie der Wind. Sie verlor die Kontrolle und stütze ab.

„Hätte ich nur auf meine Eltern gehört und wäre im Nest geblieben!“, sagt sie traurig und senkt den Kopf.

„Au Backe! Hört sich übel an! Aber das nächste Mal weiß du es besser.“, sagt Chipo.

Der Weg ist noch weit, obwohl sie nur wenige Male stoppen, damit Chipo essen kann. Und um den ein oder anderen Stein umzudrehen. Das macht beiden Spaß! Zuri beeindruckt seine Stärke sehr. Sie findet es witzig, dass die schweren Brocken wie Murmeln über den Boden sausen. Das sieht so einfach aus.

„Da vorne ist noch einer. Auf drei Uhr.“, sagt sie und zeigt nach vorne rechts.

„Ziel erfasst“, antwortet Chipo und setzt sein langes Horn unten am Stein an.

Mit einem kräftigen Ruck katapultiert er den Stein in die Höhe.

„Aua, etwas hat mich gebissen!“, schreit Chipo und macht einen Schritt zurück.

Der Stein knallt auf den Boden und überschlägt sich mehrere Male. Ein schlauchförmiges Tier mit abgeflachtem Kopf liegt verknotet vor ihm auf dem Boden. Der Oberkörper ist aufgerichtet und sieht bedrohlich aus. Das Tier zischt:

„Hast du noch nicht genug? Verschwinde von hier!“

„Heiliger Bimbam, eine Kapcobra! Das tut echt weh!“, schimpft Chipo.

„Selbst schuld. Du hast mir das Dach über dem Kopf weggerissen.“, zischt die Schlage.

„Das konnte ich ja nicht wissen. Kein Grund mich gleich zu beißen“, erwidert Chipo ein wenig beleidigt.

Die Cobra wiegt sich drohend hin und her.

„Los! Setz` den Stein zurück, dann lass` ich dich gehen!“, sagt sie.

Zuri ist wie versteinert. Sie sieht zum ersten Mal eine Schlange und ist ängstlich. Chipo`s Beine zittern. Er senkt den Kopf und schiebt den Stein über den Boden bis vor das Erdloch neben der Cobra. Die Cobra entknotet sich und verschwindet im dunklen Loch unter dem Stein. Das Nashorn und der Madenhacker gehen rasch weiter. Chipo`s Vorderhuf schmerzt. Seine Eltern hatten ihn davor gewarnt Steine umzudrehen und blind über den Boden zu trampeln. Er seufzt:

„Hätte ich mal auf meine Eltern gehört!“

„Au Backe! Aber das nächste Mal weiß du es besser.“, sagt Zuri und versucht ihren Freund aufzumuntern.

Beide kichern, denn das Gleiche hatte Chipo vorhin gesagt. Das Nashorn humpelt bis zum nächsten Baum und legt sich nieder. Sein rechter Vorderhuf ist dick und etwas taub. Heute gehen die Beiden keinen Schritt mehr weiter. Sie faulenzen noch bis die Sonne auf geht und es wieder Schlafenszeit wird in der Savanne. Den Wald werden sie erst morgen erreichen. Sie strecken ihre Glieder von sich und ein langes, gemeinsames Gähnen beendet den Tag.

„Hua!“

Kurz darauf sind sie eingeschlafen.

Ende