Geschrieben von Stephan Hildebrand

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Illustrationen von Erik van Schoor

#2 Chipo trifft Zuri

Die Sonne steht tief am Horizont und färbt den Himmel rot-gold. Es ist ein prachtvoller Anblick, doch Chipo ist verärgert. Er wälzt sich von links nach rechts, aber die lästigen Zecken wird er nicht los. Sie stecken in seiner dicken Lederhaut.

„Menno, das hält doch kein Rhinozeros aus!“, sagt er und richtet sich auf.

Seine Augen sind noch geschlossen, als er gähnt.

„Hua!“

Langsam setzt er ein Bein vor das andere und nähert sich seinem Grenzbaum. Chipo hat viele Grenzbäume und alle stehen am Rande seines Reviers. Sie sind schon aus der Ferne gut zu sehen und zu riechen. Den Baumstamm bedecken tiefe Furchen und der Buchstabe „C“. Als er am Grenzbaum ankommt, setzt er seine Duftmarke. Nun weiß jeder, wem dieses Gebiet gehört. Er streicht mit dem spitzen Horn sanft über die Rinde des Stammes. Dann holt er aus und rammt sein Horn in den Stamm. Es rumpelt und Blätter fallen zu Boden. Die neuste Furche ist verewigt. Eine Furche reicht ihm heute nicht. Erneut holt er aus.

„Ah! Bleib doch stehen, du stapfst gleich auf mich rauf!“, piepst es plötzlich.

Chipo blickt verdutzt hinunter.

„Verzeih mir bitte. Ich sehe dich nicht. Wo bist du?“, fragt er.

Im Strauch mit den bleistiftförmigen Blättern raschelt es und ein kleiner, hellbrauner Vogel mit rot-gelbem Schnabel und rot-gelben Augen hüpft hervor.

„Mein Name ist Zuri. Ich bin 37 Tage alt und komme aus der Savanne. Und wie du unschwer erkennen kannst bin ich ein Madenhacker. Mhm, ich liebe Maden!“

Chipo lacht und meint, dass Zuri mit ihren 37 Tagen ja noch ein Baby sei. Daraufhin hüpft Zuri an seinen Fuß und verpasst ihm eine mit dem Schnabel.

„Aua!“, schreit das Nashorn.

„Hast du schon mal ein Baby gesehen, das sowas kann!“, sagt Zuri und stellt ihre Federn auf.

Mit dem Schnabelhieb hat Chipo nicht gerechnet und entschuldigt sich bei Zuri.

„War nicht so gemeint. Mein Name ist Chipo. Ich bin elf und ein Spitzmaulnashorn. Und ich liebe meinen Badesee.“

Jetzt lachen beide und Zuri legt ihre Federn wieder an. Sie meint, dass Chipo sehr alt ist, aber Chipo sagt, dass Nashörner noch viel älter werden können. Als Zuri erzählt, dass sie ebenfalls gern badet, dreht sich Chipo blitzschnell um und rennt los.

„Wer zuletzt im See ist, ist ein lahmes Stinke-Ei!“, ruft er und grinst.

Wenige Meter vor dem See blickt er um sich. Aber Zuri sieht er nicht. Hat er es tatsächlich geschafft einen Vogel abzuhängen? Sein Körper taucht mit großer Wucht in den Badesee ein. Die Wellen breiten sich rasch aus und treffen kurz darauf das andere Ufer.

„Hurra! Gewonnen! Niemand schlägt Chipo das Renn-Rhino! Damit hast du nicht gerechnet, was Zuri?“, jubelt er voller Stolz und blickt erneut um sich.

„Zuri?“, ruft Chipo noch einmal.

Es ist still. Zuri ist weder zu hören noch zu sehen. Chipo läuft zurück zum Grenzbaum, da kommt ihm Zuri hüpfend entgegen.

„Das war unfair!“, beschwert sich Zuri.

„Du hättest doch fliegen können.“, meint Chipo und kichert.

Doch Zuri schüttelt den Kopf und zeigt auf den Verband aus Blättern, der ihren Flügel stützt. Sie erklärt, dass sie vor ein paar Tagen die Kontrolle verlor und abgestürzt ist. Mindestens drei Tage muss der Verband noch dranbleiben. Chipo ist der Verband nicht aufgefallen. Nashörner haben wohl nicht die besten Augen, stellen beide fest und lachen. Chipo legt sich auf den Boden und bittet Zuri aufzusteigen, damit sie gemeinsam baden können. Zuri ist beeindruckt und hüpft auf seinen vorderen Huf und dann weiter hinauf bis zur Schulter. Als sie seinen Kopf erreicht, ruft sie:

„Auf geht`s Chipo!“

Und so machen sie sich gemeinsam auf den Weg zum Badesee. Zuri entdeckt ein Festmahl aus knackigen Maden, dicken Zecken und Larven auf seinen Rücken. Chipo weiß nicht wovon Zuri spricht. Er erlaubt ihr, sich den Bauch vollzuschlagen. Sie hüpft den Rücken entlang und schnappt sich eine fette Zecke nach der anderen. Endlich wird er dieses Ungeziefer und das Jucken los.
Als sie am Ufer ankommen, ist Zuri satt, dabei sind noch etliche Maden und Zecken übrig. Das Nashorn läuft ins flache Wasser und legt sich vorsichtig auf die Seite. Zuri rutscht bequem hinunter. Die beiden genießen die Erfrischung und plantschen herum, bis die Sonne aufgeht. Das ist für Chipo das Zeichen schlafen zu gehen. Denn jetzt wird es viel zu heiß für einfach alles. Alles, außer schlafen. Zuri hüpft zurück auf Chipo`s Schulter und zusammen laufen sie in den Schatten eines Baumes. Sie machen es sich gemütlich, strecken sich und gähnen lang.

„Hua!“

Ihre Augen fallen zu und kurz darauf schlafen sie ein.

Ende